Obwohl die Praxis in der Schweiz noch nicht fest verankert ist, kommt es immer öfter vor, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber um unbezahlten Urlaub ersuchen. Deshalb lohnt es sich, an einige Grundsätze des unbezahlten Urlaubs und vor allem an die Folgen eines solchen Urlaubs zu erinnern, denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind sich nicht immer bewusst, was damit verbunden ist.
Die Rechtsprechung und die Schweizer Autoren haben sich für den unbezahlten Urlaub auf folgende Definition geeinigt: «Zwischen den Parteien vereinbarte Unterbrechung der gegenseitigen vertraglichen Hauptpflichten während einer bestimmten Zeit, nämlich einerseits der Arbeitsleistung und andererseits der Lohnzahlung, während das Arbeitsverhältnis fortgeführt wird» (unter anderem Urteil des BGer 4A_406/2010 und «Le droit aux vacances, Etude des articles 329a à d CO», Eric Cerottini, Dissertation, Lausanne 2001, S. 64).
Mit anderen Worten wird von unbezahltem Urlaub gesprochen, wenn der Arbeitgeber seine Lohnfortzahlungspflicht und der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht während einer vereinbarten Dauer unterbricht, ohne dass dadurch das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. Die Dauer ist dabei nicht von Belang.
So wird während des unbezahlten Urlaubs im Gegensatz zu den Ferien kein Entgelt bezahlt. Als erstes ist somit zu bedenken, dass der Arbeitgeber, anders als bei Ferien, nicht verpflichtet ist, unbezahlten Urlaub zu gewähren, und dementsprechend der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf unbezahlten Urlaub hat.
Zweitens gilt der unbezahlte Urlaub nicht als Sperrfrist. Das Arbeitsverhältnis kann somit während des unbezahlten Urlaubs gekündigt werden. Gestützt auf eine kantonale Rechtsprechung von 1987 (JAR1 987, S. 246) sind gewisse Autoren der Ansicht, dass die Kündigungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wieder aufgenommen hat. Nach Ansicht des unterzeichneten Autors käme dies aber letztlich einer Sperrfrist gleich. Es ist deshalb nicht sicher, dass man heute dieser Rechtsprechung folgen muss.
Drittens ist zu beachten, dass der unbezahlte Urlaub bei der Berechnung der Fristen berücksichtigt wird, wenn die Dauer des Arbeitsverhältnisses dafür von Belang ist, da es ja während des unbezahlten Urlaubs nicht unterbrochen wird. Mit anderen Worten ist der unbezahlte Urlaub zu berücksichtigen, wenn es um das Dienstalter des Arbeitnehmers geht und dieses zu berechnen ist.
Beispielsweise wird der unbezahlte Urlaub berücksichtigt, wenn die für den Arbeitnehmer geltende Kündigungsfrist zu bestimmen ist (Art. 335c OR). Berücksichtigt wird er auch, wenn die Entschädigung zu bestimmen ist, die bei Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung auszurichten ist (Art. 324a OR).
Gestützt auf die schweizerische Lehrmeinung wird der unbezahlte Urlaub hingegen bei der Berechnung des 13. Monatslohns nicht berücksichtigt, denn nur die tatsächlich gearbeiteten Tage oder Monate sind dafür massgebend.
Im Übrigen kann unbezahlter Urlaub zu einer Kürzung des Ferienanspruchs führen. In Anwendung von Art. 329b Abs. 1 und 2 OR darf der Arbeitgeber nämlich die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen, wenn der unbezahlte Urlaub länger als einen Monat dauert.
Unbezahlter Urlaub hat auch bei Krankheit Auswirkungen. Erkrankt der Arbeitnehmer während eines unbezahlten Urlaubs, kann er, anders als bei Ferien, die Krankheitstage weder ganz noch teilweise nacharbeiten. Was die Lohnfortzahlung bei einer Erkrankung während des unbezahlten Urlaubs betrifft, erhält der Arbeitnehmer keine Entschädigung, wenn er nicht gegen Erwerbsausfall versichert ist.
In Bezug auf die Sozialversicherungen darf man nicht vergessen, dass die ausbleibende Lohnzahlung an den Arbeitnehmer während des unbezahlten Urlaubs eine Einstellung der Versicherungsdeckung zur Folge haben kann. Wird das Arbeitsverhältnis während mehr als 30 Tagen unterbrochen, verliert der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Krankentaggelder der Taggeldversicherung. Dasselbe gilt in Bezug auf die Nichtbetriebsunfallversicherung. Ab dem 31. Tag des unbezahlten Urlaubs ist der Arbeitnehmer nicht mehr gedeckt (Art. 3 UVG). Was die BVG-Vorsorge betrifft, kann sich der unbezahlte Urlaub auf den versicherten Lohn auswirken. Man beachte auch, dass der mit dem Lohnanspruch verknüpfte Anspruch auf Familienzulagen bei unbezahltem Urlaub grundsätzlich ebenfalls entfällt.
Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze und Auswirkungen wird Arbeitgebern, die einen unbezahlten Urlaub akzeptieren, und Arbeitnehmern, die von einem solchen Urlaub profitieren, unbedingt empfohlen, eine Vereinbarung zu schliessen, in der die Dauer und die genauen Daten des unbezahlten Urlaubs, aber auch seine Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis und die Sozialversicherungen festgelegt werden. Die Abfassung und Unterzeichnung einer solchen Vereinbarung vor Antritt des unbezahlten Urlaubs ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn er länger als 30 Tage dauert.
WILHELM Avocats – Sandra Gerber, Rechtsanwältin – 05.11.18
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