Manche Arbeitgeber scheinen Art. 341 Abs. 1 OR und die Tatsache zu ignorieren, dass der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses, aber auch im Monat nach dessen Beendigung, nicht auf Forderungen verzichten kann, die von unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ableitbar sind.
Es sei an den Wortlaut von Art. 341 Abs. 1 OR erinnert: „Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung kann der Arbeitnehmer auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten.» Bei den unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes handelt es sich um Art. 361 und 362 OR. Zwingend sind insbesondere gewisse Vorschriften betreffend Überstunden oder Ferienlohn, die im Obligationenrecht, aber auch in vielen Gesamtarbeitsverträgen verankert sind.
So kann beispielsweise ein Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung nicht auf die Auszahlung seines Feriensaldos oder die Bezahlung seiner Überstunden mit einem Zuschlag von 25 % verzichten, sofern er gemäss Gesamtarbeitsvertrag Anspruch auf deren Entschädigung zu einem solchen Ansatz hat. Er kann aber auch keinen geringeren als den tatsächlichen Feriensaldo anerkennen.
In Wirklichkeit – und darauf hat der Arbeitgeber zu achten – kann der Arbeitnehmer zwar darauf verzichten, aber bis zur Verjährung seiner Forderung (die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre) auch jederzeit rechtsgültig auf diesen Verzicht zurückkommen.
Nehmen wir den Fall eines Arbeitgebers, der den Arbeitnehmer am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses oder am Tag seiner Entlassung eine Erklärung unterschreiben lässt, wonach er auf die Auszahlung der Überstunden, auf die er gemäss Gesamtarbeitsvertrag Anspruch hätte, oder auf die Auszahlung seines Feriensaldos verzichtet. In diesem Fall kann er davon überrascht werden, dass ihn der Arbeitnehmer auch mehrere Jahre nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Gericht verklagt (die Grenze entspricht der Verjährungsfrist von fünf Jahren), indem er die unterzeichnete Erklärung infrage stellt und die Auszahlung der Überstunden oder des Feriensaldos verlangt.
Wir verstehen zwar den Wunsch des Gesetzgebers, die schwächere Seite – mutmasslich den Arbeitnehmer – zu schützen und unter anderem zu verhindern, dass dieser «unter Druck» auf zwingende Rechte verzichtet, um zum Beispiel eine schnelle Zahlung zu erwirken. Aber Art. 341 Abs. 1 OR kann überraschen oder sogar stossend sein, wenn der Arbeitnehmer mehrere Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtliche Schritte ergreift – und dies im schweizerischen Rechtssystem, das auf der Vertragsfreiheit beruht.
Glücklicherweise haben die Rechtsprechung und die Lehrmeinung der Anwendung von Art. 341 Abs. 1 OR Grenzen gesetzt.
Art. 341 Abs. 1 OR verunmöglicht es nämlich nach übereinstimmender Meinung nicht, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich schliessen oder sich vor Gericht dahingehend einigen, dass der Arbeitnehmer auf Forderungen aus den unabdingbaren Vorschriften verzichtet. Ein solcher Vergleich ist allerdings nur dann rechtsgültig, wenn vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenseitig Zugeständnisse gemacht werden und diese zumindest gleichwertig sind.
Um auf das erwähnte Beispiel zurückzukommen, könnte der Arbeitnehmer mit anderen Worten in einer Vereinbarung zwischen den Parteien auf die Auszahlung seines Feriensaldos verzichten, wenn der Arbeitgeber ein mindestens gleichwertiges Zugeständnis macht. Im Streitfall muss die Frage des Gleichwertigkeitsbegriffs selbstverständlich vom Richter beurteilt und beantwortet werden.
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Wir machen Arbeitgeber somit auf Folgendes aufmerksam:
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