Bundesgericht spricht sich für den Vorrang des Wiener Übereinkommens über den internationalen Warenkauf im internen schweizerischen Recht aus

In einem kürzlich veröffentlichten Entscheid, 4A_543/2018 vom 28. Mai 2019, präzisierte das Bundesgericht einen wichtigen Punkt im Bereich des internationalen Vertragsrechts für bewegliche Sachen.


Das höchste Schweizer Gericht hat bestätigt, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf (CISG), abgeschlossen in Wien am 11. April 1980 (für die Schweiz in Kraft seit dem 1. März 1991), nicht nur einen integrierenden Bestandteil des internen schweizerischen Rechts bildet, sondern auch den Vorschriften des internen schweizerischen Rechts über das Kaufrecht – insbesondere den Normen des Obligationenrechts (OR) – vorgeht.


Im Falle eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen an eine im Ausland ansässige Partei – vorausgesetzt für das betreffende Land gilt das CISG ebenfalls (und das trifft auf viele Länder zu, z.B. Deutschland, Frankreich, die Vereinigten Staaten, China https://www.admin.ch/opc/fr/classified-compilation/19800082/index.html#id-ihni1) – kommen so die Bestimmungen dieses Übereinkommens zur Anwendung, unter Ausschluss des OR.


Die Anwendbarkeit des CISG kann von den Vertragsparteien allerdings ausgeschlossen werden, jedoch nur durch eine ausdrückliche und eindeutige Bestimmung. Das ist hier die wichtigste Klarstellung dieser Rechtsprechung. Ein stillschweigender Ausschluss genügt nicht. Eine Klausel, in der festgehalten wird, dass die Regeln des schweizerischen Rechts anwendbar sind, ist für den Ausschluss der Anwendbarkeit des CISG somit nicht ausreichend, da das CISG gerade Teil des schweizerischen Rechts ist! Ebenso genügt für einen Vertrag, in dessen Klauseln Rechtsinstitute des schweizerischen Rechts aufgenommen werden, der Ausschluss des CISG als solches nicht, da die betreffenden Institute auch in den Artikeln dieses internationalen Übereinkommens vorgesehen sein können. Nach Auffassung der Lausanner Richter ist sodann das Verhalten der Parteien während des Prozesses für den Ausschluss des CISG nicht ausreichend.


Das Fehlen eines Ausschlusses kann erhebliche Auswirkungen auf das Schicksal des Vertrags und die damit verbundenen Rechte und Pflichten der Parteien haben. Anders als das OR sieht das CISG ein Recht zur Kündigung des Vertrags bei einer nicht vertragsgemässen Lieferung nur vor, wenn daraus eine wesentliche Vertragsverletzung resultiert, wobei dies hier der Fall war (Art. 51 Abs. 2 CISG).


Die Parteien sind daher gut beraten, alle ihre Verträge über den Verkauf von beweglichen Sachen an eine Partei, die ihren Sitz in einem dem CISG beigetretenen Staat hat, zu überprüfen, um so sicherzustellen, dass das betreffende Übereinkommen im Sinne der Anforderungen dieser neuen Rechtsprechung gerade ausdrücklich ausgeschlossen wurde.


WILHELM Avocats SA – Christophe Wilhelm, Rechtsanwalt – 26.08.2019

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